Haushalt 2021
Rede
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren der Gemeindeverwaltung,
werte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
das Jahr des Virus liegt hinter uns und es folgt nun das Jahr des Impfstoffs. 2020 war in jeglicher Hinsicht besonders – ein Jahr der Widersprüche. „Abstand halten“ war und ist weiterhin das Gebot der Stunde, dort draußen und auch hier drinnen im Gemeinderat. Gerade dieser Abstand brachte die Menschen letztlich näher zusammen. Die Leute sprechen wieder mehr miteinander und vernetzen sich. Einkaufen gehen für Risikogruppen oder Menschen in Quarantäne, auf die Kinder aufpassen, in dem Moment als die Kitas dicht machten und es mit dem Homeoffice bei vielen noch nicht klappten wollte. Das alles sind Musterbeispiele für eine sorgende Gemeinschaft und ein gelungener Auftakt für den Beitritt zur Plattform nebenan.de als Teil des rasch voranschreitenden Projekts Quartier Mühlkanal mit Mehrgenerationenhaus und Schachenmayr-Areal.
„Abstand halten“ – nicht nur zueinander, von manchen offenbar auch missverstanden als Aufforderung zum Abstand von Inhalten, dem Abstand vom Anstand und guten Ton, und nicht zuletzt dem Abstand zur Wissenschaft und dem Wissen selbst. „Querdenken“ seit letztem Jahr ein Synonym für maskenlose Massendemonstration-en und dem ungesunden Mischkonsum von „Friedensaktivismus“ nebst Reichskriegs-beflaggung und Zwangschippung. Ein nie dagewesener, nahezu unbegrenzter Zugang zu Information und gleichzeitig doch grenzenlose Dummheit.
2020, Jahr der Widersprüche.
Während kleine und mittlere Unternehmen sowie Soloselbstständige, Kunst-schaffende, Kultureinrichtungen und viele mehr ums Überleben kämpfen, auch Kommunen massiv unter dem Einbruch der Gewerbesteuer leiden, nutzen wieder andere die Coronakrise schamlos als Vorwand, um tausende Arbeitnehmer:innen zu entlassen. Manchmal gibt es für den Arbeitsplatzabbau sogar staatliche Hilfen, wie etwa bei der Lufthansa. Besonders dreist auch die Auszahlung von 1,6 Milliarden Euro Dividende durch BMW, während der Konzern gleichzeitig Kurzarbeit anmeldet und sogar von einer staatlichen Kaufprämie träumt. Doch was ist schon kaltes Geld im Vergleich zu den warmen Worten und dem Beifall für unsere vielen Pflegekräfte und das Krankenhauspersonal, welche täglich bis an ihre Belastungsgrenzen gehen. Wer ist jetzt tatsächlich systemrelevant?
2020, Jahr der Widersprüche.
Doch bei allem schlechten bietet die aktuelle Krise auch Vorteile. Sie zwingt die Menschen, umzudenken und neue Wege zu gehen. Sie hat geschafft, was 25 Welt-Klimagipfel nicht geschafft haben: Wahrhaftigen Klimaschutz! So sank die weltweite CO2-Emission 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund 7% (Stand 31.08.2020, Quelle: Carbon Monitor). Keine (Inlands-)Flüge, keine Kreuzfahrten, mehr Homeoffice und grundsätzlich weniger industrielle Fertigung – oder anders gesagt, die Luft wird sauberer! Je schlechter es der Wirtschaft geht, umso besser geht es scheinbar dem Planeten. Nun ist ein Lockdown zwar denkbar ungeeignet im Kampf gegen den Klimawandel, aber er zeigt uns dafür deutlich, was es nun zu tun gilt. Wir können uns nicht auf diese „eine große Maßnahme“ verlassen, die irgendwann mal alles für uns zum Guten wenden wird, denn es sind vielmehr die ganzen kleinen Schritte von uns allen, die wir JETZT gemeinsam gehen müssen und die uns letztlich auch zum Ziel führen werden, nämlich einer ökologisch nachhaltigen Zukunft.
SÖS schreibt man mit großem Ö, daher stehen unsere diesjährigen Haushaltsanträge vor allem im Zeichen von Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Die beantragte Stabstelle Klimaschutz mitsamt einer Klimaschutzmanagerin oder eines Klimaschutzmanagers soll helfen, diesen komplexen, vielgliedrigen Prozess aktiv voranzutreiben. So können z.B. Energieeinsparpotentiale angegangen und erneuerbare Energieformen ausgebaut werden, um damit den CO2-Fußabdruck unserer Gemeinde zu reduzieren. Das ehrgeizige Ziel hierbei: Salach bis 2030 als vollständig klimaneutrale Kommune. Da die aktuellen Bemühungen von Politik, Industrie und Gesellschaft nicht im Ansatz ausreichen, um den rasch voranschreitenden Klimawandel zu stoppen oder auch nur in erforderlichem Maße zu verlangsamen, soll Salach zudem offiziell den Klimanotstand ausrufen, um die Dringlichkeit dieses Problems zu verdeutlichen und die Ernsthaftigkeit unserer Bemühungen zu unterstreichen.
Mit der Schaffung einer Ladesäule für e-Autos samt Carsharing-Angebot haben wir einen weiteren wichtigen Schritt zu weniger und emissionsärmerem Individualverkehr gemacht. Nebst zusätzlichem ÖPNV-Ausbau gilt es hierbei auch die Radinfrastruktur zu beachten. Eine schnelle Verbindung entlang der Ost-West-Achse ist ebenso wichtig, wie eine gute Durchlässigkeit von Süd nach Nord. Aus diesem Grund soll auch die Kreuzung Friedrichstraße/Hauptstraße optimiert und für Radfahrer:innen attraktiv gestaltet werden.
Als ein Ergebnis des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“, welches bundesweit rund 1,8 Millionen Menschen unterstützt haben, hat der Landtag Baden-Württemberg letztes Jahr das Aus für Schottergärten beschlossen. Seither dürfen keine neuen Steingärten angelegt werden und ob für bereits bestehende überhaupt ein Bestandsschutz gelten kann, ist juristisch wohl nicht eindeutig geregelt. Wir halten es jedoch für angemessen, den Eigentümer:innen vielmehr einen Anreiz für die Beseitigung und „Renaturierung ihrer Steinwüsten“ zu bieten. Wie die Stadt Weinheim soll nun auch Salach die Umwandlung in umweltfreundliche Grünflächen und blühende Landschaften mit einem Förderprogramm unterstützen.
Vom Umweltschutz kommen wir zum Tierschutz:
Etwa 40.000 € nimmt Salach jedes Jahr mit der Hundesteuer ein. Dabei zahlt man im Jahr 105€ für den ersten Hund und für jeden weiteren sogar nochmal 210€. Warum zahlt man nun für den zweiten Hund das Doppelte, wo doch klar sein muss, dass die Steuerschraube schon längst kein adäquates Mittel mehr zur Beeinflussung der Hundehaltungen in einer Kommune darstellt? Und warum zahlt man eigentlich nur für Hunde, nicht aber für Pferde, Katzen oder Goldfische? Die Hundesteuer führt zurück bis ins Mittelalter, als Bauern bereits für ihre Hundehaltung Kornabgaben an ihren Lehnsherrn leisten mussten, um ihre Hunde vom Jagdfrondienst zu befreien. Im Laufe der Zeit diente die Hundesteuer dann zur Aufbesserung der Armenkassen, Tilgung städtischer Kriegsschulden sowie später als Luxussteuer - und auch heute noch steht dieser Steuer keine definierte und ausschließlich auf den Hund begrenzte Leistung gegenüber. Für SÖS muss dieses Relikt vergangener Jahrhunderte daher nun endlich „generalüberholt“ werden. Da das Land Baden-Württemberg jeder Kommune die Erhebung einer Hundesteuer vorschreibt, nicht jedoch deren Höhe und ggf. weitere Feinheiten, soll zunächst geprüft werden, ob die Hundesteuer in unserer Gemeinde durch eine allgemeine Tierschutzsteuer für alle ersetzt werden kann. Die Steuerlast wäre somit gerecht verteilt und viele Schultern tragen bekanntlich leichter. Mit den Einnahmen ließen sich dann z.B. Brutkästen aufstellen oder anderweitige Tierschutzprojekte fördern. Falls die Umsetzung einer Tierschutzsteuer rechtlich jedoch nicht möglich ist, so soll die Hundesteuer stattdessen auf einen obligatorischen Euro pro Jahr abgesenkt werden, damit dem Diktat des Landes Genüge getan ist. Die dann mögliche zusätzliche Einführung einer Tierschutzsteuer mit Zweckbindung durch die Gemeinde würden wir begrüßen.
Eng verwoben mit dem Klimaschutz ist stets auch die Digitalisierung. Homeoffice statt Berufspendeln, Videotelefonate statt Geschäftsreisen – Corona hat uns gezwungen manche Prozesse praktisch über Nacht neu zu definieren und auch in anderen Bereichen kann Digitalisierung großes bewirken. Mit dem Ratsinforma-tionssystem ist der Gemeinderat papierlos geworden und unzählige Bäume werden es danken. Auch beim Salacher Boten gab es im letzten Monat Fortschritte. Für die digitale Leserschaft galt seither „Morgen schon die Nachrichten von gestern lesen“, oder genauer gesagt, „montags erst die Nachrichten von letzter Woche bekommen“. Doch mit dem neuen Verlagsvertrag wird nun auch die digitale Version künftig gemeinsam mit der Print-Veröffentlichung auf der Internetseite der Gemeinde Salach einsehbar sein. Ein wichtiger Schritt, denn eine Jugend, die unsere Gemeinde auf TikTok und Instagram sehen will, die sich sogar eine eigene Salacher App wünscht, muss aus unserer Sicht auch schnellen Zugriff auf ein modernes Amtsblatt bekommen.
Neben der Teilhabe möchte SÖS mit den folgenden zwei Anträgen aber auch die Transparenz, vor allem für die junge Generation, fördern, denn besser, als zeitnah über eine Sitzung zu lesen, kann nur noch sein, wenn man sich diese einfach online (nochmal) anschauen könnte. Gerade in Coronazeiten besteht sicherlich ein gesteigertes Interesse daran, Sitzungen nachverfolgen zu können, ohne sich dadurch aber einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen zu müssen. Daher beantragen wir heute erneut die Aufzeichnung der öffentlichen Rats- und Ausschusssitzungen sowie die spätere Veröffentlichung im Ratsinformationssystem, verzichten aber bewusst auf den Antrag für einen Livestream. Um zudem die Nachvollziehbarkeit zu verbessern, soll in den Sitzungsprotokollen künftig das Abstimmungsergebnis namentlich oder mindestens aber nach Fraktionen erfasst werden, damit Entscheidungen auch später noch nachempfunden werden können. Dies erhöht die Transparenz und stärkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Kommunalpolitik.
Doch was, wenn Vertrauen allein nicht ausreicht? Was, wenn beispielsweise die Einwohner:innen einer Straße, nennen wir sie einfach mal Hindenburgstraße, mit der möglichen Umbenennung völlig überraschend unzufrieden wären?! Gerade dann muss man die Menschen für das Projekt gewinnen - diese nahezu
göttliche Einge-bung wurde mir von einer
gut befreundeten Fraktion hier im Gemeinderat auf so herzlichste Art und Weise überbracht. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, erst das Feuer, dann das Rad und der Strom und nun wird wohl der sog. „Bürgerbeteiligungs-prozess“ die Arbeit des Gemeinderates dank der SPD-Fraktion für immer revolutio-nieren!
(Anmerkung: Sarkasmus)
Es wird Sie alle daher sicher freuen, dass SÖS hiermit beantragt, vor der Ausweisung von neuen Baugebieten außerhalb der bereits bestehenden Bebauung - also vor allem von jenen neuen Gebieten, deren Gebäude dann den sichtbaren Ortsrand unserer Gemeinde verschieben würden, immer erst einen verbindlichen Bürger:innenentscheid in der Salacher Bevölkerung in dieser Sache durchzuführen. Als konkretes Beispiel sei hier die geplante Expansion in der Lautertalstraße genannt.
Verstehen Sie mich bitte richtig, denn ich sehe durchaus die Vorteile weiterer Gewerbegebiete im Sinne einer wichtigen Einnahmequelle für die Gemeinde und auch der wirtschaftlichen Standortsicherung; auch wenn ich die industrielle Zukunft bereits mittelfristig im starken und unabsehbaren Wandel sehe. Eine Nachverdichtung innerhalb (!) unserer Ortsgrenzen begrüße ich sehr und die Reaktivierung des Schachenmayr-Areals ist ein Meilenstein in der Geschichte Salachs. Eine Expansion des äußeren Ortsrandes und den dortigen Vorstoß in unbebaute Flächen lehne ich auf der anderen Seite jedoch grundsätzlich ab. Aus Sicht der Wirtschaft sollte vermutlich am besten auch noch der letzte Quadratmeter Grün asphaltiert werden – und genau deshalb kann und darf hier nicht mit wirtschaftlichen Interessen argumentiert werden. Mit dem Prinzing-Bürokomplex im Westen hat sich die Nachbargemeinde Eislingen nun bereits an unser Ortsschild rangewanzt und auch im Osten wird am Postweg von Süßen her fleißig versiegelt. Daher muss gerade für Salach nun der Erhalt der Natur und damit der Erhalt von unbebauten Flächen oberste Priorität haben.
Für SÖS ist klar, dass es in der Lautertalstraße kein zusätzliches Gewerbegebiet geben darf, doch ist dies auch wirklich im Sinne der Salacher Bürger:innen, für die wir alle hier schließlich nur stellvertretend sitzen? Gerade bei strittigen Grundsatz-entscheidungen haben wir erst kürzlich gelernt, dass offenbar selbst Gemeinderäte mit 40-jähriger Dienstzeit nicht immer wissen können, wann etwas wirklich zum „Wohle der Gemeinde Salach“ geschieht.
Doch die Lösung für dieses Dilemma ist simpel: Wir fragen sie einfach! Denn wie wichtig eine Beteiligung ist, sahen wir zuletzt am Wirbel um das IKG Auen sowie den Gewerbepark Lautertal, zu welchem es nun Ende diesen Monats für die Donzdorfer:innen einen Bürger:innenentscheid geben wird.
Werte Fraktionen CDU und SPD, auf Grund Ihrer öffentlichen Argumentationen im Fall der Umbenennung der Hindenburgstraße erwarten wir von Ihnen in diesem Punkt Ihre volle und uneingeschränkte Unterstützung.
Zum Wohle Salachs! – selbstverständlich.
Danke.
Salach, den 09.02.2021
René Niess (GeR)
Salach Ökologisch Sozial
Anträge
(die Reihenfolge der Anträge entspricht nicht der Priorisierung)